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Die Schweiz befindet sich oft in einer Sonderrolle. Sie ist irgendwie immer etwas anders. Wie kommt es eigentlich dazu und was heisst das für die integrale Bewegung in der Schweiz? 
Und was ist mit der Schweiz

Einmal im Jahr feiern wir Schweizer den Bestand unserer Nation und der Eidgenossenschaft. Das gibt uns die Möglichkeit, für einen Moment lang die Aufmerksamkeit weg von allen negativen Schlagzeilen und all dem, was in unserem Land schief läuft, zu lenken und zu feiern, was hierzulande ganz in Ordnung oder sogar ziemlich gut ist. Genau das möchte ich in diesen Zeilen versuchen – und mehr noch: Ich möchte untersuchen, welche Rolle einer integralen Schweiz zukommen wird. Denn die Schweiz hat in Europa eine besondere Rolle – und hatte diese schon immer. Wir befinden uns im Herzen Europas, sind aber nicht Teil der EU. Wir sind von den grossen europäischen Nationen umgeben, können uns aber nicht wirklich mit ihnen vergleichen. Warum ist die Schweiz so wie sie ist? Welche Verantwortung folgt daraus? Was bedeutet diese Rolle für eine integrale Schweiz? Um diese Fragen zu beantworten, will ich mich wie in einer Potential-orientierten Analyse besonders dem widmen, was die Schweiz gut kann und warum: 

Stabilität

Der erste Punkt ist Teil unseres vorauseilenden Rufs: Menschen anderer Nationen haben das Bild eines kleinen, sauberen, geschäftigen Alpenlandes, das seit Jahrhunderten beinahe unverändert besteht. Verglichen mit anderen Nationen findet man uns sogar ein wenig langweilig. Tatsächlich baut unsere nationale Stabilität auf auf eine lange Geschichte des urschweizerischen Pragmatismus und der starken Verwurzelung mit dem Boden, auf dem wir wohnen. Bis zur Helvetik 1798 war sogar ein Kantonswechsel ein schwieriges Unterfangen, bei dem man beinahe alle Rechte verlor. Interessanterweise kann bereits früh in der schweizerischen Geschichte diese sehr stabilisierende Kombination beobachtet werden: Die Einwohner fühlen sich stark mit dem Stand (Kanton) verbunden, den sie bewohnen, und die obersten Bedürfnisse sind Sicherheit und Wohlstand. Bei jeder politischen Entscheidung wird nun abgewogen, ob sie einen positiven oder negativen Effekt auf diese Bedürfnisse haben würde, wobei ein für diese Zeit ungewöhnliches Mass an Weitsicht an den Tag gelegt wurde. Ein gutes Beispiel dafür sind die Folgen der innerschweizerischen Kriege (und derer gab es einige, da die starken politischen Einheiten lange Zeit die Kantone waren und einige von ihnen heutzutage wohl als Bullies bezeichnet werden könnten): Trotz all dem kam es sehr selten vor, dass bei Beendigung eines Konflikts die Grenzen anders aussahen als vorher. Expansionen von einem Kanton gegen einen anderen waren beinahe unmöglich, was für die meisten Parteien den wichtigsten Grund für Konflikte aus der Gleichung herausstrich.

Demokratie

Ein weiteres entscheidendes Element, das die schweizerische Stabilität stärkt, ist unsere Demokratie. Und hier meine ich nicht die direkte Demokratie, die uns zumindest unter Politikwissenschafts-Studenten zu einem internationalen Star macht. Ich spreche vom tief in unserer DNA eingewachsenen Bewusstsein für den Wert der Selbstbestimmung. Obwohl die Schweiz nicht die älteste Demokratie ist, gab es auf Kantonsebene schon Jahrhunderte vor der Französischen Revolution selbstorganisatorische Elemente. Man könnte sogar argumentieren, dass der automatische Grundmodus, in den die Gemeinden und Kantone zurückfielen, wenn ein Krieg oder ein ähnliches Ereignis das bestehende System auslöschte, dasjenige der Selbstorganisation war (so zum Beispiel bei der Abspaltung des Halbkantons Baselland). Liess man eine Gemeinde oder mehrere davon für eine Zeit lang unbeaufsichtigt, so hatten sie schon bald ihre eigene Landsgemeinde gegründet und nahmen die Geschäfte nahtlos auf. Natürlich lag die Regierungsmacht der Kantone wie auch im Ausland meistens bei einer elitären Gruppe wie Zünften oder Adligen, doch wussten diese immer, dass sie sich nicht zu weit vom Volkeswillen entfernen durften, da dieses sonst mit Fackeln und Heugabeln vor der Tür stehen würde – die moderne Version dieses Mechanismus heisst Referendum.

Im Hinblick auf die starken inneren Spannungen, die viele westliche Länder im Moment erleben (der Aufstieg von Populisten und die Verhärtung der inneren Fronten) so bietet uns die direkte Demokratie einen entscheidenden Vorteil: So etwas wie eine Opposition gibt es in der Schweiz nicht. Weder in der Legislative, noch in der Exekutive noch in der Judikative hat je nur eine Partei das Sagen: Alle Parteien sind nach dem Konkordanzprinzip vertreten, das heisst nach den Wahlmehrheiten. So kann nie eine Partei oder (wie im Moment in vielen Ländern sichtbar) eine ganze Bewusstseinsstufe das Gefühl bekommen, ausgegrenzt und fremdbestimmt zu sein. Wenn es dir nicht passt, so wie es ist, dann ändere es: Nicht nur ist jede wichtige Partei in der Regierung vertreten, es kann auch jeder Bürger und jede Bürgerin eine Volksinitiative oder ein Referendum starten, um das Gesetz und die Verfassung zu ändern. Dieser Mechanismus konnte die antidemokratische, rechte Welle abfangen, die in Deutschland die AfD hervorbrachte, in Frankreich Le Pen stärkte und in Italien einen Populisten an die Macht brachte. Dieselben Kräfte gibt es auch in der Schweiz, doch kam es lediglich zu ein paar verirrten Volksinitiativen der SVP (von denen einige zum Entsetzen der restlichen Parteien angenommen wurden, wie bspw. die Einwanderungsinitiative, welche die Bilateralen Verträge mit der EU stark bedrohten; die letzten Initiativen, die aus dieser Richtung kamen, wurden jedoch geradezu abgeschmettert – das Volk ist aufgewacht). Meine persönliche Einschätzung zu diesem Thema ist, dass wir den Peak der inneren Spannungen bereits überschritten haben. Die nationalen Wahlen im Herbst werden es zeigen.

Selbstbewusstsein

Der nächste Punkt betrifft unser nationales Selbstbewusstsein. Es ist vergleichsweise schwierig zu finden: Die meisten Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich nicht als Bürger eines grossartigen Landes mit einer reichen Geschichte und einer entscheidenden Rolle auf dem internationalen Parkett, wie es in vielen anderen Nationen der Fall ist. Der Historiker Thomas Maissen bemerkt, dass das Wissen um die eigene Geschichte hierzulande „eher ein Dasein am Rande fristet – anders als in den meisten Ländern, wo Nationalgeschichte als Voraussetzung staatsbürgerlicher Identität mit Nachdruck vermittelt wird.“ Interessant ist aber nicht die Quelle dieses Tiefstaplertums, sondern sein Effekt: Es gab nie eine „grosse Helvetische Expansion“ oder ein „Schweizerreich“. Despoten, Monarchen und sogar Könige kamen stets aus dem Ausland (mit Ausnahme der Habsburger, die als Dynastie aber kaum als Schweizer gesehen werden können). Überspitzt könnte man sagen, solange der Eidgenosse frei sein Stück Land bewirtschaften konnte und Rechtssicherheit hatte, war ihm gedient. Ein weiteres Element spielt hier aber eine wichtige Rolle: Die Mechanismen und Strukturen der selbstbestimmten Kantone machten aus jedem Versuch der Veränderung einen langwierigen Prozess. Hätte je ein Kanton den Rest der Eidgenossenschaft langfristig unterjochen wollen, wäre es im Entscheidungsprozess wohl zu mehreren Generationswechseln gekommen.

Neutralität

Etwas, womit die Schweiz im Rest der Welt oft in Verbindung gebracht wird (neben Schokolade, Uhren und Käse), ist ihre Neutralität. Als Ausdruck des gutschweizerischen Pragmatismus und Tiefstaplertums zeigte sie sich zwar im Laufe der Jahrhunderte immer wieder in den Entscheidungen der Bünde (je nach Situation auch zurecht als Konfliktscheue bezeichnet); doch im Wiener Kongress 1815 wurde sie von allen beteiligten Parteien, also den meisten europäischen Staaten, als sinnvollste Lösung zum Wohl der Gesamtsituation gewählt. Man schien sich einig darin, dass dieses Gebiet nicht nur schwer zu regieren wäre (die Eidgenossen bewiesen regelmässig ihre Abneigung gegenüber ausländischen Besatzern), sondern auch allen zum Wohle kommen würde als schwacher, unabhängiger Pufferstaat zwischen den Konfliktparteien, der Handel mit allen und Krieg mit niemandem betreiben würde. Seither ist unsere aussenpolitische Neutralität ein Wert, der nach bestem Wissen und Gewissen gewahrt wird, sowohl zu unserem eigenen Wohl als auch als Teil des internationalen Auftrags, den wir uns selbst erteilen.

Innovation

Das letzte Element dieser Liste ist die Innovation. Ich verstehe sie als Ausdruck der Bewusstseinsentwicklung: Um etwas neues zu schaffen, muss das Bewusstsein über den Tellerrand von heute hinausblicken können und das Morgen erkennen. Auch hier lassen sich die Wurzeln früh in unserer Geschichte finden: Die Schweiz hatte ausser Landwirtschaft und Söldnertum keine nennenswerten Einkünfte (keine Bodenschätze und keine Kolonien). Im 16. Jahrhundert erkannten städtische Handelsleute das ungenutzte Potential der ländlichen Regionen. Die Bevölkerung dort lebte grösstenteils von der Landwirtschaft, die sie weder reich machte, noch ihre ganze Zeit in Anspruch nahm. Sie begannen, Rohmaterialien (vor allem Textilien) an selbständige Handwerker/innen zu verkaufen, die daraus Endprodukte herstellten. Dieses System, Verlagssystem genannt, förderte nicht nur die selbständige Erwerbstätigkeit (es gab den unteren Bevölkerungsschichten eine Möglichkeit, zu Wohlstand zu kommen, wenn sie es clever genug anstellten), sondern vor allem die Spezialisierung von Regionen auf gewisse Produktionszweige, welche mittelfristig zur Etablierung der Uhren-, Textil-, Pharma- und Maschinenindustrie führte. Sie zog ausländische Experten an, was das Fachwissen weiter konzentrierte. Bis heute ist dieser Fokus auf Forschung und Entwicklung spürbar: Regelmässig liegt die Schweiz unter den ersten drei Rängen im Internationalen Innovationsindex und bei überraschend vielen internationalen Grossprojekten, die als „leading edge science“ bezeichnet werden, haben die ETHs irgendwo ihre Finger im Spiel.

  

Doch neben all dem Lob, das ich hier unserem Land widme, gibt es auch viel zu kritisieren: Wir produzieren zu viel Abfall, Treibhausgase, Waffen, Managersaläre und Bankenskandale und zu wenig Ausländerintegration, Entwicklungshilfe und Bio-Gemüse. Diese Selbstkritik ist wichtig, denn es gehört zu den Aufgaben jeder demokratischen Nation, sich selbst objektiv zu betrachten und sich so stetig verbessern zu können. Doch wie die meisten westlichen Staaten wird auch die Schweiz derzeit von einer übertriebenen inneren Kritik der höheren Bewusstseinsstufen heimgesucht. Obwohl in diesen Ländern grundsätzlich die Menschenrechte geachtet werden, Rechtsstaatlichkeit brilliert, Wohlstand und individuelle Freiheit stetig zunehmen, der Sozialstaat immer wieder gestärkt wird und das Umweltbewusstsein verhältnismässig hoch ist, können gewisse Gesellschaftsschichten kein gutes Haar an ihrem Heimatland lassen. Diese Verurteilungen gehen weit über gesunde, konstruktive Selbstkritik hinaus – viele Menschen schämen sich sogar für ihr Land. Meiner Meinung nach zeigt sich hier ein Verlust der eigenen Wurzeln, eine Abtrennung der Werte früherer Entwicklungsstufen, eine Allergie, wie Wilber sie nennt. Namentlich werden Werte der Stufe Bernstein (Nationalstolz, Zugehörigkeit, Patriotismus) verdrängt, was dazu führt, dass es kein schlechteres Land auf diesem Planeten gibt, als das eigene (also das exakte Gegenteil des verdrängten Werts). Diese Betrachtungsweise ist nicht nur unvollständig, sondern auch ziemlich billig: Alles kann kritisiert, relativiert, vernichtet werden, denn nichts ist rein, perfekt und gerecht. Die Geschichte jeder Nation ist voll von Gewalt, Raub und Ungerechtigkeit, weil diese Eigenschaften Teil der menschlichen Entwicklung sind.

Hier möchte ich Gegensteuer geben, in der Hoffnung zu einer selbstbewussten, aber realistischen Mitte zu finden. Die Schweiz hat vieles für sich, die obenstehende Auflistung ist nur eine Auswahl ihrer positiven Qualitäten. Wir bauen auf auf eine einzigartige Geschichte und auf sehr nahrhaften Boden. In mancherlei Hinsicht gehört die Schweiz sogar zum Besten, was die Welt im Moment zu bieten hat (hier ist der oben genannte Nationalstolz).

Was ist nun also die Rolle der Schweiz? Wir waren noch nie das Zugpferd oder der Platzhirsch. Unsere politischen Entscheidungen sind nicht von weltbedeutender Konsequenz und wenn wir für einmal nicht mit Schweden verwechselt werden, hat man normalerweise trotzdem keine Ahnung was hierzulande läuft. Gleichzeitig bietet die Schweiz Raum für einige der wichtigsten Internationalen Organisationen, Weltkonzerne und Regierungsverbände. Sie ist immer wieder Schauplatz für Gespräche und Verhandlungen der grössten Mächte in Wirtschaft und Politik und ihre aktive Vermittlerrolle nimmt sie auch in vielen Konflikten wahr, die sie nur am Rande betreffen. Selbst wenn alle Zeichen gegen eine diplomatische Lösung stehen, bricht sie nie die Gespräche ab.
Ein Beispiel: Vor Kurzem zog die Schweiz zum ersten mal einen anderen Staat vor den Internationalen Seegerichtshof. Nigeria hatte Anfang 2018 einen Öltanker, der unter Schweizer Flagge fuhr, festgesetzt. Über ein Jahr lang versuchten Schweizer Vertreter aussergerichtlich zu einer Einigung zu kommen und erst als sie nach einem Jahr noch immer keine Begründung von der Nigerianischen Behörde erhalten hatten (die neben dem dahinrostenden Schiff auch Teile der Besatzung festhielt), ging man widerwillig vor Gericht – und bekam Recht.

Die Schweiz ist nicht das Land, das seine Werte mit Schwert und Lanze verteidigt. Manchmal ist diese stets freundliche, übergeduldige Haltung auch frustrierend. Doch die Schweiz lässt sich auch nicht in die Gefechte der mächtigen Mitspieler verwickeln, was ihr ermöglicht, allen Seiten Raum zu geben und den Dialog zu unterstützen. Gesundes Grün eben.

Wie wird diese Rolle wohl aussehen, wenn der Schwerpunkt der Bevölkerung auf Petrol & Integral ist? Das ist schwierig vorauszusagen, doch wir werden es auf jeden Fall noch erleben und ich bin unglaublich gespannt! Was wir mit Sicherheit sagen können ist, dass es eine Kombination unserer urschweizerischen Eigenschaften und derjenigen der neuen Bewusstseinsstrukturen sein wird: Die Konzentration auf Entwicklung und Forschung wird mit dem Fokus auf das Innen kombiniert – werden wir zu internationalen Psychotherapeuten und Gurus? Experimentierfreudigkeit und Pionierrolle im Bereich Demokratie trifft auf das Bewusstsein über die Entwicklungsdifferenzen in der Bevölkerung – erfinden wir die erste Demokratie, welche die individuelle Entwicklung miteinbezieht? Grosse Stabilität, Neutralität und der Wille zum friedlichen Verhandeln trifft auf globales Bewusstsein für Eros – werden wir zum Integralen Coach auf Staatenebene? Wie auch immer unsere Zukunft innerhalb Europas und im Rest der Welt aussehen mag, sie wird – wie immer – eine kaum sichtbare und trotzdem unverzichtbare sein.

Für uns ist nun vor allem wichtig, den Boden für diese Zukunft zu bereiten. Wir säen im Moment die Samen einer integralen Kultur. Und diese Samen müssen gesund sein. Die Sprösslinge der integralen Bewegung müssen so integriert und frei von Schatten1 wie nur möglich sein. Doch Entwicklung ist chaotisch – die Wahrscheinlichkeit, dass alles glatt laufen wird ist gleich null. Deswegen müssen wir auf zwei Dinge ganz besonders achten: Beim Sprung von Grün auf Petrol können – wie bei jedem anderen Entwicklungsschritt – Allergien und Fixierungen entstehen. Und in der integralen Szene von heute sind beide stark verbreitet. Allergien sind dort zu erkennen, wo Grün (aber auch Orange, Bernstein, Rot, etc.) innerlich verdrängt und äusserlich bekämpft werden. Fixierungen entstehen dann, wenn Teile der alten Struktur nicht losgelassen werden (Die integrale Szene trägt bspw. viele Elemente von Grün in sich, die sie eigentlich hinter sich lassen könnte, was ihr aber dadurch erschwert wird, dass viele ihrer Mitglieder zwar integral sprechen, selber aber noch auf Grün stehen. Das in sich ist kein Problem, doch ist diese Tatsache nicht bewusst und das ist ein Problem.). Meiner Meinung nach ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben, die wir im Moment haben, Menschen auf Grün zu gesundem Petrol zu bringen.

Wie immer bewegen wir uns aber auch hier im Paradox, dass unsere Unterstützung und Mitarbeit zwar absolut unverzichtbar ist und es auf jeden Einzelnen ankommt, gleichzeitig aber auch vollkommen egal ist, was wir tun, da die Weiterentwicklung unaufhaltsam ist. Du hast also die Wahl: Krempelst Du die Ärmel hoch und machst dich an die wichtigste Arbeit deines Lebens oder setzt Du dich auf eine Wiese und zählst die Wolken am Himmel. Die Entscheidung liegt allein bei Dir.


Quellen: 
Religion of Tomorrow – Ken Wilber, 2017
Geschichte der Schweiz – Thomas Maissen, 2015
The shortest History of Europe – John Hirst, 2009
Global Innovation Index (GII)

Entwicklungsstufen

Die Entwicklungsstufen (auch Bewusstseinsstrukturen genannt) gehen auf eine ganze Reihe von Forschern zurück und wurden vom amerikanischen Philosophen Ken Wilber konsolidiert. Die Grundregeln der Stufenentwicklung sind:

  • Jede Stufe umfasst die vorhergehenden Stufen und ist dennoch mehr, als die Summe ihrer Bestandteile – sie ist emergent.
    Jeder Mensch beginnt ganz am Anfang.
  • Bei der Entwicklung kann keine Stufe ausgelassen werden.
  • Die Bewusstseinsstufen entfalteten sich im Laufe der Evolution (und neue Stufen entfalten sich noch immer). Deshalb sind die Stufen, die ein Individuum während seiner Entwicklung durchläuft dieselben, die auch die Menschheit durchlaufen hat.
  • Menschen entwickeln sich unterschiedlich weit (manche bleiben beispielsweise auf der konventionellen Stufe stehen, manche gehen weiter).
  • Oft befindet sich das Individuum auf mehreren Stufen gleichzeitig, da manche Teile des Selbst den Sprung zur nächsten Stufe bereits gemacht haben, andere jedoch nicht. So ergibt sich ein Schwerpunkt und eine Ausdehnung des Selbst.
  • Auch die Gesellschaft hat einen Entwicklungs-Schwerpunkt, zu dem ihre Mitglieder hingezogen werden (was nicht heisst, dass es alle bis dorthin schaffen); Entwicklung darüber hinaus heisst dementsprechend, gegen die Schwerkraft zu kämpfen.

Im Folgenden findest Du eine Beschreibung der wichtigsten Stufen:

Rot – Weltsicht der Macht

Die Welt ist ein wilder Dschungel voller Verfolger und Räuber. Um Bedrohungen zu entkommen und zu überleben, übt Rot selbst Macht aus oder verbündet sich mit mächtigen Anführern – “Survival of the Fittest”.

Auf dieser Bewusstseinsstufe steht das Ich (Ego) im Zentrum. Sich selbst als Mittelpunkt der Welt betrachtend (egozentrisch), versucht das rote, individualisierte Selbst, seinen Willen und seine Wünsche sofort zum Ausdruck zu bringen und zu erfüllen. In unserem Kulturraum ist diese Bewusstseinsstufe kaum mehr zu finden, doch findet man sie verbreitet in Stammesvölkern, in der dritten Welt und in den zwielichtigen Ecken von Großstädten.

Bernstein – Mythische Weltsicht

Statt nur durch Blutsbande verbunden zu sein, können Individuen verschiedener Stämme bei Bernstein ein und demselben Gott dienen und sich dadurch als Brüder und Schwestern fühlen. Regeln geben dem Leben eine Bedeutung und Richtung: Es gibt höhere Prinzipien, nach denen sich alle richten müssen. Jeder muss für Gott und Vaterland Opfer bringen, was dem Leben Ordnung und Sinn verleiht. Konservativ und traditionell legt Bernstein Wert auf Sicherheit und Beständigkeit. Polarisierte, ethnozentrische Perspektiven herrschen vor: Man ist entweder gläubig oder abtrünnig. Wer sich an die Regeln hält, wird durch das Versprechen vom Himmelreich belohnt. Schuldgefühle und Angst vor Strafen kontrollieren die Impulsivität.

Orange – Rationale Weltsicht

Orange, die rationale Weltsicht der Moderne, vertritt unabhängig von Gruppenloyalitäten universelle Systeme und Prinzipien, die für alle Menschen gelten - die erste weltzentrische Sicht. Das Handeln ist zielorientiert und strebt nach Fortschritt, Erfolg, Unabhängigkeit, Leistung, Status und Wohlstand und verbessert den materiellen Lebensstandard überall auf der Welt. Erfolg beruht auf Strategien, Planung und Austesten der besten Lösungen. Die wissenschaftliche Methode ist beispielhaft für das Denken von Orange. Die Annahme, dass der objektive Bereich unabhängig vom Subjektiven erforscht werden kann, ist der Irrglaube auf dieser Bewusststeinsstufe.

Grün – Pluralistische Weltsicht

Grün erkennt Systeme und Feedback-Loops. Das bedeutet, dass die Welt nicht mehr linear ist, sondern aus einem Netz von Systemen besteht, die alle miteinander verbunden sind. (Ökologie, Systemtheorie etc). Zum ersten mal sind innere Werte real und müssen mit einbezogen werden. Die Weltsicht von Grün kann zahlreiche verschiedene Blickwinkel einnehmen, aber kein Urteil über deren Wahrheitsgehalt fällen. Grün bemüht sich, den vielen unterschiedlichen Perspektiven gleiche Anerkennung zu schenken, was zum ständigen Absuchen des Horizonts führt, um sicherzugehen, dass keine Gefühle verletzt werden. Politische Korrektheit und Konsens sind die Strategie. Zu den Errungenschaften der grünen Stufe zählen der Umweltschutz, die Betonung der Nachhaltigkeit, Rechte für Minderheiten, uvm.

Petrol – Holistische Weltsicht

Petrol erkennt Systeme in Systemen und entwickelt Metatheorien: Es erkennt das Verbindende in den verschiedenen Systemen. Es kann ausserdem zwischen Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur unterscheiden. Und erkennt so ein verbindendes "tieferes" unviverselles Muster sowie den evolutionären Impuls, der jedem System immanent ist. Es gibt also Abstufungen und somit Höheres und Niederes. Holons werden zum ersten mal als solche erkannt. Individuen auf Petrol ist bewusst, dass ihre persönliche Entwicklung jede der unteren Stufen umfasst und integriert und gleichzeitig die Entwicklung nicht abgeschlossen ist. Bedürfnisse entstehen aus der Fülle anstatt aus Mangel. Individuen leben einen gesunden Egoismus und haben gleichzeitig ein starkes Interesse am Prozess der Entwicklung des Menschen und der Welt.

Türkis – Integrale Weltsicht

Die letzte "rationale" Stufe. Erkennt holonische Systeme: Netzwerke von Systemen die sowohl vertikal, als auch horizontal verknüpft sind. Vertikale und horizontale Verknüpfungen sind allgegenwärtig und werden überall wahrgenommen: Schau-Logik. Innen und Aussen sind kokreativ und werden nebeneinander und in stetiger Interaktion wahrgenommen. Die Bedeutung der Quadranten wird zu ersten mal im vollem Ausmass erkannt. Ausserdem finden erste intuitive Einsichten statt. Jedes gedankliche Konstrukt ist letztendlich begrenzt; es gibt nicht mehr nur eine Perspektive, sondern den Raum, in dem alle Perspektiven entstehen. Hier liegt der Anfang für transpersonale Formen von Gewahrsein.

Quelle: Stufen des Selbst, IntegralWorks, 2018

 

  1. Was ist der Schatten? (Auszug aus Integrale Körperarbeit – Silas Hörler, 2018 

 

Über den Autor

Hoerler SilasSilas Hörler ist Autor des Buches „Integrale Körperarbeit” und Betreiber des Youtube-Kanals mit demselben Namen. Er verfügt über mehr als fünf Jahre Erfahrung als Life- und Teamcoach in Integraler Lebenspraxis. Heute ist er verantwortlich für die Leitung und inhaltliche Weiterentwicklung der Integralen Körperarbeit und der Schattengruppen im Projekt Integrales Leben in Basel. Er ist ausserdem Mitgründer und Trainer bei der Integral Works AG. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

  

 

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Silas Hörler
Integrale Körperarbeit: Vom Maultier zum Zentaur
Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform; Auflage: 1 (4. April 2016)
ISBN-10: 1518820727

 

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