Ken Wilber, ergänzt um einen Text von Sri Aurobindo

Hinweis der OJ Redaktion:
Bei der Beschreibung der höheren und höchsten Strukturstufen der menschlichen Entwicklung bezieht sich Ken Wilber oft auf den indischen Philosophen Sri Aurobindo. Nachfolgend geben wir zuerst einen Text von Ken Wilber dazu wieder, und anschließend eine Beschreibung von Sri Aurobindo. Beide beziehen sich auf die vier höheren (und höchsten) Strukturstufen menschlicher Entwicklung. Die Bezeichnungen dafür sind in beiden Texten aufgrund unterschiedlicher Übersetzungen z. T. unterschiedlich wie folgt:



Frage: Kannst du beschreiben wie du Schaulogik [Vision Logic], den erleuchteten Geist [Illumined Mind], den intuitiven Geist [intuitive Mind], den Übergeist [Overmind] und den Supergeist [Supermind] in deinem Alltag einsetzt? Wie sieht diese Erfahrung aus und wie fühlt sie sich an? Wie ereignet sich dabei der Schritt von einer Stufe zur nächsten, und wie hast du diese Schritte gemacht?
KW: Schaulogik bedeutet Ganzheiten zu denken, erleuchteter Geist bedeutet Ganzheiten zu sehen, intuitiver Geist bedeutet Ganzheiten zu fühlen, Übergeist bedeutet Ganzheiten zu bezeugen und Supergeist bedeutet Ganzheit zu sein.
Schaulogik denkt in Ganzheiten, und das fühlt sich wie Denken an, das, was jemand fühlt, wenn er oder sie bemerkt, dass er oder sie denkt. Doch dieses schaulogische Denken ist holistisch. Es ist ein Denken von Ganzheit zu Ganzheit. Es sieht keine individuellen Ideen, sondern Netzwerkideen, holistische Ideen, Gesamtheiten, Dinge die intrinsisch zusammengehören. Dabei ist die Orientierung überwiegend grobstofflich. Gleichzeitig öffnet sich dieses Denken auch darüber hinaus in den dritten Rang (third tier), hin zu transpersonalen Aspekten. Doch es ist im Wesentlichen ein Denken in Ganzheiten.
Der erleuchtete Geist sieht Ganzheiten in einer unmittelbaren Wahrnehmung. Dies ist kein Denken von einer Ganzheit zur nächsten, es ist ein unmittelbares Sehen von Gesamtheit, ein totales Erfassen und Umfassen. Einzelteile werden in ihrer Gesamtheit zusammen gesehen und dieses Sehen bewegt sich von Augenblick zu Augenblick, von einer Ganzheit zur nächsten, immer weiter. Das ist eine sehr unmittelbare und direkte Erfahrung, wie auch der intuitive Geist, der Ganzheiten fühlt. (Mit Begriffen wie Ganzheiten denken, sehen und fühlen gebe ich hier eine sehr vereinfachte Darstellung).
Ganzheiten zu fühlen ist eine unmittelbare Gegenwärtigkeit, die sich als ein fühlendes Gewahrsein zeigt, und zwar als ein holistisches Gewahrsein. Der Unterschied zu den beiden vorhergehenden Stufen ist, dass hierbei die Verbindungen gefühlt, und nicht nur mit Abstand aus einem beobachtenden Standpunkt heraus gedacht oder gesehen werden, und das macht diese Stufe noch holistischer. Es ist ein unmittelbares und direktes Fühlen und eine unmittelbare holistische Präsenz, die sich von Augenblick zu Augenblick zeigt, von einer gefühlten Ganzheit zur nächsten und zur nächsten, aus einem transpersonalen Gewahrsein heraus. Darin enthalten sind grobstoffliche und subtile Elemente. Dies ist eine interessante Art von Kognition, weil diese Kognition eine der ersten ist, die in einer subtilen Wahrnehmung verankert ist, und hier beginnt das Erkennen von Ganzheiten aus dem subtilen Bereich heraus. Weil diese Wahrnehmung aber zugleich transzendiert und bewahrt, ist sie auch in der grobstofflichen Wahrnehmung verankert.
Beim Übergeist ist der Zeuge zu einem andauernden Subjekt geworden. Ganzheiten werden bezeugt, doch der Zeuge dieser Entwicklungsstufe unterscheidet sich vom Zeugen eines Zustandes. Der Zeuge eines Zustandes kann auf jeder der Strukturstufen erfahren werden. Doch wenn der Zeuge auf der Strukturstufe des Übergeistes zu einem andauernden Subjekt wird, zu einer absoluten Subjektivität, dann bezeugt er Ganzheiten, und zwar grobstoffliche, subtile und kausale Ganzheiten. Das macht die Übergeist Stufe so interessant und zutiefst holistisch. Es ist ein andauerndes Bezeugen, eine permanente radikale Subjektivität eines Subjektes, das nicht zu einem Objekt gemacht werden kann. Was es sieht und wonach es überwiegend Ausschau hält, sind Gestalten [gestalts], holistische Muster, und zwar, wie gesagt, Muster in grobstofflichen, subtilen und kausalen Bereichen. Der Übergeist selbst ist im kausalen Bereich verankert, und schaut von dieser Perspektive auf kausale, subtile und grobstoffliche Gestalten. Wie Gestalten sich zeigen, hängen davon ab, was gerade im Augenblick geschieht. Die grobstofflichen, subtilen und kausalen Ganzheiten erscheinen so, wie sie sich zeigen, von jedem der Quadranten in dem Augenblick ihres Bezeugens. Es hängt davon ab, wo jemand sich gerade aufhält und was geschieht, im Außen oder im Innen. Der Unterschied hierbei ist, dass dieser Zeuge sich grobstofflicher, subtiler und kausaler Ereignisse bewusst ist, während der Zeuge als eine Gipfelerfahrung z.B. auch auf der roten Entwicklungsstufe auftauchen kann. Doch dieses Zeugenbewusstsein ist sich lediglich grobstofflicher Ereignisse bewusst. Rot sieht nichts im subtilen oder kausalen Bereich. Der Übergeist ist sich jedoch aller drei bewusst.
Supergeist ist das Sein von Ganzheit. Hier erkennt sich die Soheit selbst und ist sich ihrer selbst bewusst. Alles, was in das eigene Feld der Bewusstheit eintritt, ist selbst-befreiend, befreit und selbst-erkennend, von Augenblick zu Augenblick zu Augenblick. Dies ist der ultimative Zustand der Kognition, der jedes einzelne Phänomen der Welt als selbst-manifestierend, selbst-erscheinend, selbst-erkennend und selbst-befreiend erkennt. Das ist das, was der Supergeist sieht. Darin ist Big Mind enthalten, doch was noch hinzukommt, ist eine Bewusstheit aller vorangegangenen Entwicklungsstrukturen. Dies ist die ultimative holistische Sichtweise.
Wie ich damit täglich umgehe? Übergeist und Supergeist sind die Bereiche, wo ich mich spirituell aufhalte. Es sind auch die zwei Modi, die ich verwende, um die AQAL Theorie zu überprüfen. Ich überprüfe AQAL gegen alles, was in meinem Bewusstsein auftaucht, und das gibt mir einen Eindruck davon, dass die AQAL Theorie adäquat ist mit allem, was erscheint.
Wenn ich über die AQAL Theorie schreibe, dann übersetze ich diese in Begriffe der Schaulogik. Das meiste von dem, was ich schreibe, kommt aus der Ebene der Schaulogik, weil diese die höchste Ebene ist, auf der ich mich den meisten Menschen noch verständlich machen kann. Der erleuchtete und der intuitive Geist sind die zwei Modi, die am meisten für die integrale theoretische Arbeit verwendet werden. Wenn ich versuche, etwas herauszubekommen, wenn ich ein Problem betrachte, dann verwende ich eines dieser beiden Erkenntnismodi. Und wie ich schon sagte, überprüfe ich das dann mit Übergeist und Supergeist, doch die eigentliche Arbeit erfolgt mit dem erleuchteten und dem intuitiven Geist. Der Grund dafür ist, dass diese zwei die Bereiche von grobstofflich, subtil und kausal abdecken, und das gibt mir eine Gewissheit, dass ich damit die wichtigsten Punkte abgedeckt habe. Dann übersetze ich das in die Schaulogik und überprüfe es periodisch immer wieder mit Übergeist und Supergeist. Diese Überprüfung ist etwas, was ich beispielsweise mit Big Mind nicht tun kann, weil Big Mind lediglich der Zustand eines leeren Bewusstseins ist, der praktisch auf jeder Entwicklungsstufe auftreten und erfahren werden kann. Dort gibt es so gut wie keine Inhalte, und daher gibt es auch nichts, was mir etwas sagen kann. Das ist einer der großen Unterschiede zwischen Big Mind und Supergeist. Supergeist ist Big Mind plus all der Strukturen, die sich im ersten, zweiten und dritten Rang gebildet haben. Dieser Unterschied ist wichtig, und darum sind sowohl Übergeist als auch Big Mind wesentlich für eine Verwirklichung und ein echtes Erwachen.
Wie bin ich dahin gelangt? Transformation selbst ist einem nicht bewusst. Wie alle anderen auch negiere und bewahre ich auf eine unbewusste Weise, und (be)finde mich dann auf welcher Entwicklungsstufe auch immer. Offensichtlich habe ich damit schon früh begonnen, jedenfalls in der kognitiven Entwicklungslinie. Ich schrieb mein erstes Buch Spektrum des Bewusstseins mit dreiundzwanzig Jahren, und aus welchem Grund auch immer war ich hier schon früh unterwegs. Wenn es irgendeine Aktivität gibt, die für derartige Transformationen verantwortlich ist, dann würde ich zwei Dinge nennen: eines ist die Fähigkeit, Muster zu erkennen und das zweite ist die Fähigkeit, Perspektiven einnehmen zu können. Ich habe beides praktiziert, solange ich mich zurückerinnern kann, und ich denke, diese beiden Dinge, wenn überhaupt irgendetwas, sind für die Bewegung zu immer höheren kognitiven Strukturen, die ich machen konnte, verantwortlich. Gibt es noch etwas Höheres als Supergeist? Wahrscheinlich. Wenn ich vom Supergeist her denke und handle, was für mich einige Anstrengung erfordert, dann ist dies klar eine obere Grenze für mich, doch wenn ich mich dort befinde, dann hat es für mich nicht den Anschein, als ob es von dort aus nicht noch weiter ginge – mein Eindruck ist, es geht noch weiter, doch was dann kommt, davon habe ich keine Vorstellung. Ich denke, das müssen wir abwarten.
So weit eine kurze Zusammenfassung dieser höheren Strukturen.
Ergänzungsfrage: Ich bin vertraut mit Aurobindos Beschreibungen, und er beschreibt diese Ebenen teilweise anders, wie goldenes Licht für den intuitiven Geist, du hast es aber auf deine Weise beschrieben. Es ist interessant zu hören, dass du dich dabei rauf- und runterbewegst zwischen diesen Ebenen.
KW: Man bewegt sich in dem Sinne, dass es eine Leiter, den Kletterer und die Leiterstufe gibt [ladder, climber, rung]. Jede dieser Strukturen hat eine bestimmte Weltsicht, und diese Weltsicht wechsle ich dabei nicht. Bewegt man sich z.B. von der Schaulogik zum erleuchteten Geist, dann behält man die Fähigkeit zur Schaulogik, doch man verliert die entsprechende Weltsicht. Ich habe nicht mehr die Weltsicht von Türkis oder orange oder rot. Doch ich kann natürlich zu einem gewissen Grad in Kontakt mit diesen Strukturen sein, als den Grundstrukturen, denSprossen der Leiter. Dazu habe ich Kontakt, aber nicht zu den jeweiligen Weltsichten. Die Weltsichten setzen eine ausschließliche Identifikation mit einer bestimmten Leiterstufe voraus. Doch das kann ich nicht mehr machen [weil ich mich weiterentwickelt habe], und das kann niemand machen. Doch sich auf und ab bewegen ist etwas ganz anderes, vergleichbar mit der Bewegung von einem Chakra zu einem anderen. Jeder, der sich von Chakra 2 zu 3 zu 4 bewegt, kann zurückkehren und Chakra 2 erfahren. Doch er oder sie kann nicht mehr die Weltsicht von Chakra 2 erfahren. Das ist vorbei. Das ist etwas, worüber Aurobindo kaum schreibt, und ich denke, das ist einer der Gründe, warum ich etwas andere Definitionen dieser Strukturstufen habe als er. Ich glaube, manchmal verbindet er Leitersprosse und Sichtweise miteinander, doch das ist etwas, was meiner Ansicht nach nur geschieht, wenn man mit einer bestimmten Entwicklungsstufe oder Leitersprosse identifiziert ist. Sobald man sich weiterentwickelt, verliert man die Weltsicht und alles, was dazugehört. Worin ich mich auch noch von Aurobindo unterscheide, ist, dass ich im Supergeist alle vorangegangenen Entwicklungsstrukturen mit aufgenommen sehe. Ich denke, dass das so ist, und das hilft uns Supergeist und Big Mind voneinander zu unterscheiden. Supergeist ist demnach kein Zustand.
Zusatzfrage: War dir bewusst, dass sich eine kognitive Ebene nach der anderen bei dir entwickelte?
KW: Nein. Wie ich schon sagte, ist einem Transformation nicht bewusst.

Nachfolgend eine Beschreibung der höheren Bewusstseinsstufen von Sri Aurobindo

(zitiert aus: Sri Aurobindo, Das göttliche Leben auf Erden, Mirapuri Verlag, S. 102f.)
Vier Stufen führen vom menschlichen Denkbewusstsein zum Supramentalen:

  1. Das höhere Mentale.
  2. Das erleuchtete Mentale
  3. Das intuitive Mentale
  4. Das Übermentale

1. Das höhere Mentale

Unser erster entscheidender Schritt über unser menschliches Erkenntnisvermögen, über unsere normale Denkweise hinaus bedeutet ein Aufsteigen zu einem höheren Denkbewusstsein, zu einem Denken, das nicht länger aus Licht und Dunkel gemischt, zwielichtig ist, sondern aus der weiten Klarheit des Spirits stammt. Seine Ursubstanz ist ein Gefühl der Einung des Wesens mit einer mächtigen, vielfach belebenden Kraft, die fähig macht, einer Fülle von Wissensaspekten, Handlungsweisen, Formungen und Bedeutungen des Werdens Form zu geben, all dem, von dem sie spontanes inneres Wissen besitzt. Auf dieser höheren Denkebene aber ist es nicht mehr nötig, zu suchen und kritisch zu überlegen. Hier gibt es kein logisches Vorgehen, Schritt für Schritt bis zu einem Schluss, keinen Mechanismus der ausdrücklichen  oder unterstellten Ableitungen und Folgerungen, keine Konstruktion oder absichtliche Verkettung von Ideen miteinander, um so zu einem regelrechten Schluss, zu einem Ergebnis der Erkenntnis zu gelangen ...
Dieses höhere Bewusstsein stellt ein Wissen dar, das sich auf Grund eines totalen Gewahrseins selbst formuliert, das in sich selbst ruht und das einen Teil seiner Ganzheit offenbart, eine Harmonie von Bedeutungen, in Gedankenformen gebracht ...
Dies ist das höhere Denkbewusstsein, was sein Erkenntnisvermögen anbetrifft. Seine andere Seite ist die des Willens, der dynamischen Verwirklichung der Wahrheit. Wir werden hier feststellen können, dass dieses höhere und leuchtendere Denken immer auf die restlichen Teile unseres Wesens einwirkt, auf den mentalen Willen, auf das Herz und seine Gefühle, auf das Vitale und den Leib, und zwar durch die Kraft der Gedanken, der Ideen.
 

2. Das erleuchtete Mentale

Diese größere Kraft gehört dem Erleuchteten Mentalen an, einem Mentalen nicht mehr nur des höheren Denkens, sondern des spirituellen Lichtes. Dann tritt die Klarheit der spirituellen Intelligenz mit ihrem ruhigen Tageslicht zurück oder unterwirft sich einem starken Glanz, einer Herrlichkeit und Erleuchtung des Spirits: Ein Spiel von Erkenntnisblitzen derspirituellen Wahrheit und Macht bricht von oben in unser Bewusstsein ein und fügt der ruhigen und weiten Erleuchtung und dem gewaltigen Herabströmen des Friedens, die das Wirken des größeren spirituellen Prinzips charakterisieren oder begleiten, eine feurige Glut der Verwirklichung und eine leidenschaftliche Ekstase des Wissens hinzu. Niederströmendes, innerlich sichtbares Licht begleitet häufig diesen Vorgang …  Bei diesem Herabstieg bringt das Licht auch eine größere Dynamik, einen golden leuchtenden „enthusiasmos“ der inneren Stärke und Kraft mit sich …

Ein Bewusstsein, das auf Schau beruht, das Bewusstsein des Sehers, stellt eine mächtigere Quelle des Wissens dar als das des Denkers. DieWahrnehmungskraft aus der inneren Schau ist größer und direkter als die Wahrnehmungskraft aus dem Denken. Sie ist ein spiritueller Sinn, der etwas von der Substanz der Wahrheit erfasst und nicht nur ihr Abbild.

3. Das intuitive Mentale

Aber diese beiden Entwicklungsstufen können sich ihres Einflusses nur dann erfreuen und zu ihrer eigenen gemeinsamen Vollendung gelangen, wenn sie sich auf eine dritte Stufe beziehen; denn von den höheren Gipfel her, wo das Wesen der Intuition wohnt, bekommen sie das Wissen, das sie in Form von Gedanken kleiden oder in die Form der Schau bringen und für die Umwandlung des Mentalen zu uns herabbringen. Die Intuition ist eine Fähigkeit des Bewusstseins, die dem ursprünglichen Wissen durch Wesenseinheit näher und inniger verwandt ist; denn sie ist immer etwas, das unmittelbar der verborgenen Wesenseinheit entspricht …
Diese innige Erkenntnis ist mehr als Schau, mehr als Begreifen; sie ist das Ergebnis einer eindringenden und enthüllenden Berührung, die die Schau und das Begreifen als einen Teil ihrer selbst oder als natürliche Folge mit sich bringt. Eine verborgene oder schlummernde Wesenseinheit, die sich noch nicht entdeckt hat, erinnert sich doch durch die Intuition ihres eigenen Wissens und vermittelt uns die Innigkeit ihres Selbst-Fühlens und ihrer Selbst-Betrachtung der Dinge, ihr Licht der Wahrheit, ihre überwältigende und selbstverständliche Gewissheit ...
Intuition ist immer wie ein Schwert, ein Strahl, ist ein Ausbruch des höheren Lichtes. Sie dringt in uns ein wie eine Klinge, eine Schneide oder die Spitze eines fernen, supramentalen Lichtstrahles, verändert sich in der dazwischenliegenden Denksubstanz der Wahrheit über uns und tritt schließlich, ziemlich blind geworden, in unsere gewöhnliche unwissende Denksubstanz ein ...
Die Intuition besitzt eine vierfache Fähigkeit: die Kraft der offenbarenden Wahrheitsschau, die Kraft der Eingebung oder des Hörens der Wahrheit, die Kraft, die Wahrheit zu fühlen oder ihre Bedeutung unmittelbar zu erfassen, was mit der gewöhnlichen Natur ihrer Einmischung in unsere mentale Intelligenz verwandt ist, und schließlich die Kraft der wahren und unwillkürlichen Unterscheidung der wohlgeordneten und genauen Beziehung von Wahrheit zu Wahrheit.  

 

4. Das Übermentale

Die nächste Stufe des Aufstiegs bringt uns zum Übermentalen; denn die Wandlung durch Intuition kann nur die Einleitung zu dieser höheren spirituellen Ouvertüre sein ...

Wenn das Übermentale herabkommt, wird sich der Herrschaftstrieb des Ich-Sinnes, der sich immer in den Mittelpunkt stellt, gänzlich unterordnen, in der Weite des Seins verlieren und schließlich ganz abgelegt werden. Ein weites kosmisches Schauen, das Gefühl eines grenzenlosen All-Selbstes und ein All-Streben sind an seine Stelle getreten. Viele Regungen, die vorher noch egozentrisch waren, mögen zwar noch fortdauern, erscheinen aber nun als Strömungen und Wellenlinien in der kosmischen Weite ...
In dieser grenzenlosen Weite kann nicht nur das Einzel-Ich, sondern jedes Gefühl von Individualität oder instrumentaler, untergeordneter Persönlichkeit gänzlich verschwinden. Das kosmische Sein, das kosmische Bewusstsein, die kosmische Wonne, das Spiel der kosmischen Kräfte ist allein übriggeblieben, und wenn nun die Wonne oder der Brennpunkt der Kraft dort gefühlt wird, wo persönliches Denken, Vitales oder Einzelkörper gewesen sind, dann wird es nicht mehr als etwas Persönliches, sondern als ein Feld der Offenbarung empfunden.
 
Quelle: CoreIntegral.com, Call with advanced integral students
aus: Online Journal 34