Dennis Wittrock
"Transzendieren und einschließen"
Die integrale Theorie betrachtet Entwicklungssequenzen in allen Quadranten. Das Prinzip der Entwicklung lautet "transzendieren und einschließen" ("transcend and include"), d.h. die Inhalte, Fähigkeiten und Kapazitäten einer bestimmten Ebene der Entwicklung werden von der nächst höheren Ebene aufgenommen und zudem werden neue auftauchende Fähigkeiten hinzugefügt. Bei Hegel finden wir dies als Prinzip der "Aufhebung" im dreifachen Sinne: 1) als Negierung, 2) als Bewahrung und 3) als auf ein höheres Niveau heben. Wilber setzt dies in seinem Hauptwerk Eros, Kosmos, Logos in Zusammenhang mit der Theorie der "Holons" (Teile/Ganze). Jedes Holon ist ein Ganzes und wird von dem nächst höheren Holon transzendiert und als Teil und Sub-Holon eingeschlossen, bzw. "aufgehoben". Dies ergibt eine Hierarchie von Holons, eine "Holarchie". Eine klassische bekannte Holarchie ist die Sequenz von Atom - Molekül - Zelle - Organismus (im oberen, rechten Quadranten)Zur Einteilung der Ebenen
Ebenen der Entwicklung bezeichnen - im Gegensatz zu Zuständen, die flüchtiger Natur sind - permanent erreichte Errungenschaften und Fähigkeiten. Die Anzahl der Ebenen der Entwicklung ist relativ zu dem jeweils verwendeten Modell der Klassifizierung. So beschreibt z.B. Jean Gebsers Modell fünf Strukturen des Bewusstseins, Maslows nennt sechs Ebenen der Bedürfnisse, Clare Graves und das Spiral Dynamics-Modell nennen acht Wertesysteme, wohingegen Susanne Cook-Greuter zehn Ebenen der Selbstidentität differenziert. Hier gilt für Wilber "everybody is right" - jeder hat Recht. Man kann das Spektrum der Entwicklung beliebig fein oder grob differenzieren, es kommt nur darauf an, dass man sich darüber im Klaren ist, auf welches Modell man sich gerade bezieht ? ebenso, wie man die Temperatur in legitimerweise in Grad Celsius oder in Fahrenheit angeben kann. Wilber selber verwendet Modelle, die zwischen acht und zehn Ebenen differenzieren, was ihm zufolge eine Anzahl ist, bei der die theoretische Trennschärfe hoch genug, aber nicht zu hoch ist.Ebenen, Strukturen, Wellen der Entwicklung
Wilber verwendet alternative Bezeichnungen synonym: die Rede ist von "Ebenen", "Strukturen" oder "Wellen" der Entwicklung. Hierzu schreibt er in Integrale Psychologie (S.23):Ich benutze alle drei Begriffe synonym, da sie sich im wesentlichen auf dasselbe Phänomen beziehen; aber jeder hat eine etwas andere Konnotation, die wichtige Informationen vermittelt. "Ebene" betont die Tatsache, dass diese Ebenen qualitativ bestimmte Ebenen der Organisation sind, die in einer verschachtelten Hierarchie (oder Holarchie) zunehmend holistischer Umfassendheit angeordnet sind. Der Begriff "Struktur" betont die Tatsache, dass diese Ebenen permanente holistische Muster des Seins und Bewusstseins sind. Und "Welle" betont die Tatsache, dass diese Ebenen nicht streng voneinander getrennt und isoliert sind, sondern wie die Farben eines Regenbogens unendlich viele Abstufungen haben und ineinander übergehen. Die Grundstrukturen sind einfach die Grundfarben in diesem Regenbogen. Mit einem anderen Bild ausgedrückt: sie sind die Wellen im großen Strom des Lebens, durch den seine vielen Einzelströme [ Linien der Entwicklung] fließen.
Egozentrisch, ethnozentrisch, weltzentrisch
Ein sehr einfaches Beispiel zur Illustration ist die Entwicklungssequenz der moralischen Entwicklung mit drei Ebenen, die von egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch verläuft.
Auf der ersten Ebene ist der Mensch noch ausschließlich mit seiner eigenen Perspektive der ersten Person ("Ich") identifiziert. Dies weitet sich auf der zweiten Ebene zu einer Identifikation mit der Perspektive der zweiten Person ("Du" / "Wir") aus. Allerdings ist das betreffende "Wir" hier noch auf eine bestimmte Gruppe, einen bestimmten Stamm, Clan oder eine bestimmte Nation ("Wir Deutschen") beschränkt. Transzendiert und eingeschlossen wurde auf dieser Stufe allerdings bereits die egozentrische Identität und ihre Bedürfnisse. Der Kreis der Fürsorge hat sich auf "meine Leute" vergrößert.
Eine weitere Vergrößerung der Identität, der Fürsorge und des moralischen Empfindens stellt die weltzentrische Stufe dar, auf welcher ein Mensch sich um die Belange von allen Menschen sorgt - unabhängig von Rasse, Nation, Hautfarbe oder Glaubensrichtung. Sie geht einher mit der Fähigkeit, die überparteiliche Perspektive der dritten Person einzunehmen. Egozentrisch- ethnozentrisch - weltzentrisch ist somit eine Holarchie von drei Ebenen der Entwicklung in der moralischen Linie, wobei die Inhalte, Fähigkeiten und Kapazitäten der vorhergehenden Ebenen transzendiert und eingeschlossen werden.
Auf der ersten Ebene ist der Mensch noch ausschließlich mit seiner eigenen Perspektive der ersten Person ("Ich") identifiziert. Dies weitet sich auf der zweiten Ebene zu einer Identifikation mit der Perspektive der zweiten Person ("Du" / "Wir") aus. Allerdings ist das betreffende "Wir" hier noch auf eine bestimmte Gruppe, einen bestimmten Stamm, Clan oder eine bestimmte Nation ("Wir Deutschen") beschränkt. Transzendiert und eingeschlossen wurde auf dieser Stufe allerdings bereits die egozentrische Identität und ihre Bedürfnisse. Der Kreis der Fürsorge hat sich auf "meine Leute" vergrößert.
Eine weitere Vergrößerung der Identität, der Fürsorge und des moralischen Empfindens stellt die weltzentrische Stufe dar, auf welcher ein Mensch sich um die Belange von allen Menschen sorgt - unabhängig von Rasse, Nation, Hautfarbe oder Glaubensrichtung. Sie geht einher mit der Fähigkeit, die überparteiliche Perspektive der dritten Person einzunehmen. Egozentrisch- ethnozentrisch - weltzentrisch ist somit eine Holarchie von drei Ebenen der Entwicklung in der moralischen Linie, wobei die Inhalte, Fähigkeiten und Kapazitäten der vorhergehenden Ebenen transzendiert und eingeschlossen werden.