von Jeremy Johnson
1. Auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Philosophie
Zeit ist Sein und Sein
Zeit, ist alles eine Sache,
das Leuchten, das Sehen,
die Dunkelheit im Überfluss.Ursula K. Le Guin
Jean Gebser (1905-1973) war ein deutsch-schweizerischer Kulturphilosoph, intellektueller Mystiker, Dichter und Gelehrter der Evolution des Bewusstseins. Viele kennen ihn im englischsprachigen Raum für seinen meisterhaften Text Ursprung und Gegenwart (1949-1952), ein riesiger Band, der Kunst, Sprache und Menschheitsgeschichte mit viel Liebe zum Detail umspannt. Obwohl vielleicht weniger bekannt als C. G. Jung, Erich von Neumann (Ursprungsgeschichte des Bewusstseins), Pierre Teilhard (Der Mensch im Kosmos) oder Sri Aurobindo Ghose (Das göttliche Leben), bietet Gebser dennoch immense Einblicke in die Evolution des Bewusstseins für Wissenschaftler und Studenten gleichermaßen. In der Mitte des 20sten Jahrhundert lebend betrachtete Gebser seine Zeit, die wohl auch unsere ist, als eine durch Krisen ausgelöste Zeit enormer Potenzierung. Und die Möglichkeit einer Lösung in der Auflösung und der latenten spirituellen Mutation in der Menschheit, die auf eine Verwirklichung hinarbeitet. Dieses beginnende integrale Zeitalter – den Begriff der ‚integrale Aperspektivität‘ werde ich in diesem Band vorzustellen und dem Leser zu vermitteln suchen – ist nichts anderes als ein Sprung aus der Zivilisation, wie wir sie kennen (zu was, wissen wir noch nicht). Es ist ein für uns unergründliches, aber notwendiges Zeitalter, in Bezug auf das Gebser meint, dass hier ‚der geteilte Mensch durch den ganzen Menschen ersetzt wird‘. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Sprungs ist nicht nur das intellektuelle Verständnis allein, sondern eine Form der spirituellen Klarheit, eine Anerkennung der Ganzheit, eine Warnung vor Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Zu Beginn ist das Integral eine Intensivierung der ursprünglichen Präsenz im Menschen.